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Es ist allgemein bekannt, dass eine der Möglichkeiten, wie es den Christen gelang Heiden zu bekehren und in das Christentum bringen konnte, darin bestand, wichtige heidnische Praktiken in christliche Rituale zu integrieren.
Daher haben viele der Feste, die es im christlichen Kalender gibt, eindeutige heidnische Wurzeln, sowohl was das Datum, an dem sie begangen werden, als auch die verwendeten Rituale betrifft. Um nur einige zu nennen: Ostern, Halloween, der Vorabend des Johannistages und das Dreikönigsfest haben alle starke heidnische Wurzeln.
Weihnachten ist da keine Ausnahme. Ursprünglich Teil eines wichtigen heidnischen römischen Festes, übernahm das Christentum, als es in die Welt der Wikinger kam, viele der Traditionen, die zur gleichen Jahreszeit im Rahmen des Jul- (oder Yule-) Festes durchgeführt wurden.
Das heidnische Weihnachten
Weihnachten wird im Dezember gefeiert, um den heidnisch-römischen Feiertag Saturnalia mit dem Festtag Sol Invictus zu verbinden.
Die Saturnalien waren eine Zeit des Festmahls, die am 17. Dezember begann. Einzelne Personen tauschten Geschenke aus, meist Skulpture der Götter, die auf dem Hausaltar aufgestellt werden sollten. Dies könnte der Ursprung der Krippentradition sein. Die Feierlichkeiten endeten am 25. Dezember, einige Tage nach der Wintersonnenwende, wenn die Tage des Jahres endlich wieder länger werden.
Der 25. Dezember wurde mit Jesus Christus in Verbindung gebracht, weil an diesem Tag Sol Invictus gefeiert wurde, der im 3. Jahrhundert, kurz vor der Bekehrung des Reiches zum Christentum zum wichtigsten Gott des römischen Pantheons wurde. Kaiser Aurelianus weihte den Tempel von Sol Invictus in Rom am 25. Dezember im Jahr 274 n. Chr. ein. Mit der Bekehrung zum Christentum wurde dieses Datum zum Hauptfest von Jesus Christus.
Das Weihnachtsfest kommt nach Norwegen
Etwa 700 Jahre nach der Einweihung des Tempels Sol Invictus kam das Christentum zu den Wikingern in Norwegen. Laut der Saga von Hákon dem Guten war es König Haakon I. von Norwegen, der das Datum des traditionellen nordischen Yule-Festes auf das 12-tägige christliche Weihnachtsfest verlegte.
Die Norweger wurden dazu ermutigt, das neue Weihnachtsfest anstelle von Yule zu feiern, aber sie gaben ihre heidnischen Traditionen nicht einfach auf. Diese blieben bestehen und wurden in die neuen christlichen Traditionen integriert.
Die Wikingermythologie von Yule
Die Wikinger-Yule findet in der dunkelsten Zeit des Jahres statt, wenn die Tage kurz und dunkel sind, vor allem in den nordischen Ländern wie Norwegen. Die Wikinger glaubten, dass in dieser dunklen Jahreszeit der Schleier zwischen der Welt der Sterblichen und der übernatürlichen Welt sehr dünn sei und sie dem Göttlichen und den Toten näher stünden.
Es war eine Zeit im Jahr, in der man sich vor den Draugr, den untoten Wikingern, in Acht nehmen musste. Man glaubte, dass die Verstorbenen wieder zum Leben erwachen und ihre Gemeinschaft terrorisieren können, wenn sie es wünschten. Sie töteten nicht nur Vieh und lösten Brände aus, sondern konnten sogar in die Träume von jemandem eindringen und ihn dort töten.
Wenn eine Gemeinschaft vermutete, dass sie von einem Draugr terrorisiert wurde, gruben sie kürzlich verstorbene Personen aus und suchten nach Beweisen. Wenn sie glaubten einen gefunden zu haben, taten sie Dinge wie ihre Leichen anzunageln, ihnen den Kopf abzuschneiden oder eine Sense an ihren Hals zu legen, damit sie sich selbst köpften, wenn sie versuchten, aufzustehen.
Aber nicht nur die Toten waren während Yule auf freiem Fuß, sondern auch die Götter. Vor allem Odin sollte eine göttliche wilde Jagd am Himmel durchführen. Odin sammelte immer die Seelen der mutigsten Toten ein, um sie nach Walhalla zu bringen. Die wilde Jagd sammelte auch andere Dinge, die im Laufe des Jahres gestorben waren, und ebnete den Weg für neues Wachstum, wenn die Tage wieder länger wurden.
Die Wikinger verbrachten die Zeit der wilden Jagd in ihren Tempeln mit Opfergaben und in ihren langen Hallen mit Schlemmereien, um nicht draußen erwischt und durch einen Unfall von der Jagd mitgerissen zu werden.
Wenn Odin jedoch im Ausland war, konnte er sich auch dafür entscheiden, die Würdigen zu besuchen und Geschenke und Glück zu verteilen… Auf diese Weise fungierte Odin als eine Art Proto-Weihnachtsmann. Aber unseren vollständigen Artikel über Odin als Weihnachtsmann können Sie hier lesen.
Die Wikingertraditionen von Yule
Viele heidnische Rituale und Volksbräuche, die von den Wikingern während Yule praktiziert wurden, fanden ihren Weg in die Weihnachtsbräuche, beginnend in Norwegen und breiteten sich von dort auf den Rest der christlichen Welt aus.
Zu den religiösen Ritualen gehörten auch Opfergaben. Die Tiere wurden in die Tempel gebracht, geopfert und ausgeblutet. Das Fleisch wurde für die Festtage, die in Yule stattfanden, gekocht, während das Blut auf die Götzenbilder und die Tempelwände gespritzt wurde. Obwohl uns diese Vorstellung vielleicht als eklig erscheint, könnte dieses Bestreichen mit Blut der Ursprung der Idee gewesen sein, die Hallen zu schmücken.
Das traditionellste Gericht des Wikinger-Yule war gebratenes Wildschwein. Dies hängt wahrscheinlich mit der Verehrung von Freyr während des Festes zusammen, da er und die anderen Vanir-Götter eng mit diesem Tier verbunden waren. Schinken ist nach wie vor eine der beliebtesten Weihnachtsspeisen.
Das Trinken war ein wichtiger Teil des Festes und es wurden viele Trinksprüche ausgesprochen. Der erste Toast wurde auf Odin ausgesprochen, danach auf Njord und Freyr, vanirische Götter, die mit Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht werden. Auch auf verstorbene Vorfahren wurden Toasts ausgesprochen.
Thor, der Gott des Donners, war sowohl ein Beschützer als auch ein Gott der Fruchtbarkeit. Er wurde auch in Yule geehrt. Ziegen gehörten oft zu den Opfertieren, aus getrocknetem Weizen wurden Ziegenfiguren hergestellt und als Dekorationen ausgestellt. Die Wikingerdekorationen in Yule wurden vielleicht an einem Yule-Baum angebracht, einem immergrünen Baum, der ins Haus gebracht wurde, wahrscheinlich um Yggdrasil darzustellen, den Weltenbaum, der im Zentrum des nordischen Universums steht. Er ist ein Symbol für das Leben und könnte dafür gestanden haben, dass das Leben auch in Yules dunklen Tagen weiterging.
Die Wikinger wählten außerdem einen großen Eichenholzscheit aus, der während der gesamten Yule-Zeit im Feuer verbrannt werden sollte. Es war mit speziellen nordischen Runen beschriftet, die während der Yule-Zeit den Schutz der Götter vor den dunkelsten übernatürlichen Kräften heraufbeschwören sollten. Das Feuer musste während der gesamten Dauer des Festes brennen. Das Feuer erlöschen zu lassen, war ein sehr schlechtes Omen.
Als Teil der festlichen Aktivitäten stellte die Gemeinschaft einen großen Kranz aus trockenen organischen Materialien her. Anstatt ihn an eine Tür zu hängen, zündeten sie ihn an und rollten ihn einen Hügel hinunter. Dies könnte ein Ritual gewesen sein, um die Rückkehr der Sonne anzukündigen.
Die Mistel wurde aufgehängt, welche eine wichtige Pflanze in der nordischen Mythologie war. Sie ist die einzig existierende Materie, die den Gott des Lichtes Balder töten kann. Loki erfährt von diesem Geheimnis und benutzt tatsächlich die Pflanze, um Balder zu töten und ihn in die Unterwelt zu schicken. Die Verbindung zwischen dieser Geschichte und dem Aufhängen von Misteln in Yule ist unklar, aber es könnte sich um die Einhaltung von Versprechen an die Götter handeln.
Die Kinder ließen nachts ihre Schuhe am Feuer stehen und legten Zucker und Heu für Sleipnir, Odins achtbeiniges Pferd, aus. Vielleicht wurden sie auch hingestellt um Geschenke zu erhalten, wenn Odin beschloss, während seiner wilden Jagd vorbeizukommen. Einige Geschichten erzählen, dass sich Familienmitglieder als alte Wintermänner verkleideten und Geschenke mitbrachten. An den Weihnachtsmann erinnernd, sollten sie in den ältesten Überlieferungen sicherlich Odin sein.
Heidnische Weihnachten
Es ist nicht schwer, viele Parallelen zwischen den nordischen Traditionen von Yule und den modernen Weihnachtstraditionen zu erkennen. Das ist nicht überraschend, da wir wissen, dass das Christentum viele heidnische und folkloristische Traditionen übernommen hat, um sich besser an die neu bekehrten Christen anzupassen.
Auffallend ist der Einfluss, den das wikingerzeitliche Yule auf das heutige Weihnachten gehabt zu haben scheint, obwohl das Christentum so viele heidnische Traditionen übernommen hat. Dies deutet darauf hin, dass Yule ein unglaublich wichtiges Fest in der nordischen Welt war, so dass seine Traditionen andere überlagerten.